Meine Erlebnisse mit Saito Sensei

Goldenes Schwert

Im April des folgenden Jahres war ich wieder Uchi Deshi im Iwama Dojo. Einige Schüler aus meiner ersten Zeit in Iwama, trainierten im Dojo. So auch eine Japanerin, die zur gleichen Zeit Uchi Deshi war. Sie freute sich über unser Wiedersehen und lud mich ins Restaurant ein. Da erzählte sie mir eine Geschichte, von der ich bis dahin nichts wusste und die mich doch selbst betraf. Die Japanerin Mitsuko war 1986 als Uchi Deshi ins Iwama Dojo aufgenommen worden. Es gab zu der Zeit eine Diskussion im Dojo über die korrekte Art und Weise zu trainieren und kein Uchi Deshi könne heute mehr ein so guter Schüler sein wie die Schüler zu O’Senseis Zeit. Mitsuko nahm sich das so sehr zu Herzen, dass sie für eine Zeit verschwand, das Dojo verlassen und mit dem Aikido völlig aufhören wollte. An einem Sonntag trainierten wir zusammen in Saito Senseis Unterricht. Wir übten direkt vor dem Shomen mit dem Schwert, Saito Sensei schaute uns dabei zu. Ich hatte ihr gerade zugesprochen, nicht mit dem Aikido aufzuhören, da sie auch den Aiki-Geist besäße und ihn im Training manifestiere. Diese Worte waren für sie transformierend, sie blickte mich an wie ich mit meinem Schwert da stand. Sie erzählte mir, dass in dem Moment ein helles goldenes Licht aus meinem Schwert heraus leuchtete und wie Saito Sensei das
ebenfalls wahrnahm. Mein Schwert sei in dem Augenblick aus Gold gewesen. Mitsuko entschied sich dann im Aikido zu bleiben und trainierte weiter bis wir uns im Jahr 2001 wiedersahen. In dieser Zeit gab es Renovierungsarbeiten am Aiki Shrine und in dem Wald außen herum. Viele Bäume waren morsch geworden und mussten gefällt werden. Die Baumstämme waren schon zur Seite geräumt und es lagen Berge von Ästen und Reisig im ganzen Tempelwald herum. Saito Sensei beauftragte mich, eine Mannschaft von vier Leuten zusammen zu setzen und den Wald von den Ästen zu reinigen. Wir hatten damit gut zu tun und schichteten die Äste zu einem stattlichen Berg auf, der dann auf dem freien Platz des Dojo Geländes verbrannt werden sollte. Gleich nach dem Morgentraining ging es los und nach zwei Stunden Arbeit waren wir verschwitzt, als uns Sensei zum Vespern einlud. Er verpflegte uns und seine Familie kochte uns Gerichte, die wir zu Mittag mit Saito Sensei am Tisch verspeisen durften. Bei solcher Gelegenheit ließ Sensei den besten Sake herbeiholen, wir aßen und tranken und hörten dabei wieder den Geschichten zu die Saito Sensei uns von O’Sensei erzählte. Eines Mittags, die Arbeit war schon weit fortgeschritten, nahm Sensei eine besondere Flasche aus dem Kühlschrank und gab sie mir zum Geschenk. Es war eine besonders wertvolle Sake mit Goldblättchen darin. Er schmunzelte und meinte, ich solle auf dem Flughafen bei der Sicherheitskontrolle darauf achten, keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, da das Gold den Alarm auslösen würde. Es waren wunderbare Tage voller Warmherzigkeit, und ein Erlebnis immer wieder von Sensei betreut zu werden und im Gegenzug unsere ganze Aufmerksamkeit auf ihn zu richteten und ihm zur Seite zu stehen. Wir halfen Sensei die Äste der Pflaumenbäume in seinem Garten zu schneiden. Er stieg auf eine wackelige Kiste, um im oberen Bereich eines Bäumchens zu sägen und ich hielt ihn am Gürtel fest und umklammerte ihn auf dem schwankenden Podest, um ihn in einer liebevollen Umarmung vor einem Sturz zu bewahren. Die Nähe zu Sensei war noch näher geworden. Ich fühlte, wie er den Schülern, denen er vertraute, all sein Wissen und Fähigkeiten geben wollte, damit die Lehre von O’Sensei bewahrt würde. Gleich zu Anfang meines Aufenthaltes in Iwama besorgte ich ein „Kamidama“, einen kleinen Schrein, den mir Saito Sensei auf den Hauptschrein im Iwama Dojo stellen ließ. Die Türchen waren weit offen, um die Aiki-Energie hineinfließen zu lassen. Zusammen mit Saito Sensei fuhren wir im Auto zum Flughafen, um nach Rom, Italien zu seinem Frühjahrs Seminar zu fliegen. Als wir uns in der Wartehalle gegenüber
saßen und ich den Kamidama zwischen meinen Beinen im Karton schützend festhielt,
blickte Saito Sensei wohlwollend auf mich und den Schrein und nickte mir zu, um anzudeuten, dass er es für gut befand, wie nun der Geist O’Senseis Aikidos in die Welt hinaus getragen würde. Dieses Mal war es schwierig von Iwama loszukommen. Ich spürte die starke Verbindung, die nie abreißen würde, die Kraft spendet und wie sie mein ganzes Wesen durchdrang und noch immer durchdringt. Eine wahre Quelle einer uralten Kraft aus der mein Aikido, mein Heilen und mein künstlerisches Schaffen ununterbrochen schöpfen darf.

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