Meine Erlebnisse mit Saito Sensei

Saito Sensei liebte es, sich nach getaner Arbeit mit seinen Schülern hinzusetzen, ein Mahl einzunehmen und bei etwas Sake, von seinem tiefen Wissen über die Entwicklungsgeschichte des Aikidos Anekdoten zu erzählen. Er erklärte, dass das moderne Aikido von O’Sensei in Iwama entwickelt wurde und dass das Aikido davor noch nicht zur vollen Reife gekommen war, als zum Beispiel Goso Shioda Sensei sein Yoshinkan Aikido gründete. In einer Geschichte befasste Sensei sich mit Koichi Tohei Sensei, der von Saito Sensei liebevoll Tohei san genannt wurde. Tohei Sensei war Saito Senseis Sempai und wohnte nicht allzu weit von Saito Senseis Haus entfernt in der Nachbarprovinz. Nun hatte Tohei Sensei gerade ein großes Zentrum und Dojo für sein Ki Aikido bauen lassen und war in Geldnot geraten. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, setzte sich Tohei Sensei vor ausgewählte handgroße Steine und ließ meditativ durch seine ausgestreckten Zeigefinger sein Ki in diese Steine fließen, um danach die Ki Steine zu verkaufen. Saito Sensei bemerkte etwas traurig, dass Tohei Sensei weder zur Beerdigung seiner geschiedenen Frau noch zur Hochzeit seiner Tochter aus dieser Ehe gegangen sein und meinte, dass derjenige, der sich einen Ki Stein von Tohei Sensei kaufen würde, sicher kein Glück mit Frauen hätte. Sensei hatte ein starkes Gefühl für gesellschaftliche Regeln und zeigte seine Pflicht und Ehrerbietung der Gemeinschaft gegenüber in galantester Art und Weise, was ihn zu einem Oberhaupt nicht nur in der Aikido Welt, sondern auch in der weiteren Gesellschaft seine Dorfes seiner Provinz und vielleicht sogar in ganz Japan machte. Im Umgang mit Saito Sensei selbst waren genaue Regeln einzuhalten. Eines Abends, es war schon dunkel geworden, suchte Sensei vergeblich nach ein paar niedrigen Tischen, die bei der Ankunft von besonderen Gästen hervorgeholt wurden, um den traditionellen Begrüßungstee darauf zu servieren. Ich hatte mir gemerkt, wo diese zu finden waren, wollte Sensei dahin führen und lief ihm voraus. Sofort rief er mich zurück und forderte mich auf, neben ihm zu laufen und den Weg gemeinsam zu gehen. Nie wieder bin ich vor Sensei gelaufen. Ich blieb nun stets an seiner Seite oder hinter ihm. Saito Sensei war die Verkörperung von Vitalität und Kraft, er hatte ein unglaublich starkes persönliches Ki. Da Ki immer nach vorne geht und nie zurück, bahnte sich Saito Sensei nach dem Unterricht und bei Seminaren seinen Weg schnurstracks in die Richtung, in die er gehen wollte. In Iwama waren alle in voller Aufmerksamkeit wenn Saito Sensei sich entfernte und sein Weg immer frei. Bei den Seminaren außerhalb Japans jedoch standen die Menschen nach dem Unterricht einfach herum und redeten und sahen nicht, wenn sich Sensei seinen Weg durch die Menge bahnte.
Da kam es vor, dass ich als einer seiner Begleiter vor ihm lief und versuchte einen Weg für ihn durch die Menschen zu bahnen, was erst zu Verwunderung und Empörung der Beiseitegeschobenen und dann zur Demut und tiefem Verbeugen führte, wenn sie Saito Sensei an sich vorbeilaufen sahen. Saito Sensei sagte einmal von seinen deutschen Schülern, dass diese am Anfang sein Aikido sehr kritisch betrachteten und mit etwas Distanz genau abwägten, was es mit dem Iwama Style auf sich habe. Hätten sie erkannt, dass die Winkel und die Mechanik seines Aikidos präzise Anwendung fanden, widmeten sie sich mit ganzem Herzen dem begeisterten Lernen seines Aikido.

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