Meine Erlebnisse mit Saito Sensei

Ein neues Jahr

Der Morgen des 1. Januar 1987 begann sehr früh. Ich erwachte auf meinem Lager als ich hörte, wie Saito Sensei vor dem Dojo die Fenster öffnete und stürzte schlaftrunken zum ihm. Er lächelte mich mild an und forderte mich auf, die Vorbereitungen für die Neujahrsfeier zu übernehmen, da viele geladene Gäste erwartet würden. Um 10.00 Uhr gingen wir zum Aiki Schrein, klatschen viermal und verbeugten uns. Danach wurde aus einem Shinto Buch rezitiert und gebetet. Im Anschluss war Unterricht und Saito Sensei demonstrierte sein Aikido. Es war ein wunderbarer Jahresbeginn. Wir waren in Saito Senseis Haus zum Mittagessen eingeladen und tranken aus einem kleinen Fass Sake dazu. So saßen wir bis in die Nacht hinein an Saito Senseis Tisch und beobachteten wie die Gäste kamen und gingen, um Sensei ihre Aufwartungen zu machen. Wir waren zu diesem Zeitpunkt nur zwei Uchi Deshi. Es war ein besonders schöner Tag gewesen. Am Abend verbeugten wir uns noch einmal tief vor Sensei, dankten für das schöne Fest und wankten dann angeheitert durch den guten Sake zum Dojo zurück. Ich war glücklich im Neuen Jahr angekommen.
Der Dojobetrieb verlangsamte sich am Anfang des Jahres etwas und so durfte ich die morgendlichen Unterrichtseinheiten unterrichten. Es war eine Ehre, im Ibaraki Dojo den Unterricht zu leiten, wenn auch nur wenige Schüler teilnahmen. Als wieder mehr Schüler kamen, setze Saito Sensei seine regelmäßige Lehrtätigkeit fort. Manche Tage waren nun sehr kalt und morgens war das Wasser im Glas auf dem Shomen im Dojo komplett gefroren. Auf unseren Futons und unter den warmen Decken war es uns nachts aber  wohlig warm. Mitte Januar 1987 hatte es kräftig geschneit und es lagen 20 cm Schnee. Wir zogen Gummistiefel an und wateten durch den Schnee zum Trainingsplatz, die Sonne schien brillant durch die dahinziehenden Wolken, alles war in Weiß getaucht und Saito Sensei war sichtlich zufrieden. Er gab uns Unterricht mit dem Schwert. Wir sollten jeder mit geschlossenen Augen, in einem Ring aus Schülern stehend, in die Richtung schneiden, aus der ein Kiai kam. Es tat so gut, sich in diesem pulverartigen Schnee zu drehen und zu wenden und das Gleichgewicht dabei zu behalten und so spielerisch den Tag zu beginnen. Bald wurde es wieder wärmer und so wurde draußen wieder zwischen dem morgendlichen und abendlichen Unterricht, an Dojo-Projekten gearbeitet. Es kamen wieder neue Schüler aus Europa und den USA nach Iwama, die mithalfen oder Saito Sensei genau beobachten mussten, wenn er eine Arbeit verrichtete. Wieder einmal hatte es Zuwachs bei Senseis Hühnern gegeben und so wurde ein neuer kleiner Hühnerstall benötigt. Die zwei ranghöchsten Uchi-Deshis wurden beauftragt, einen transportablen Stall aus Brettern und Drahtgeflecht zu zimmern. Die restlichen Deshis mussten uns dabei tatkräftig unterstützen.

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24